Wertvolle Informationen zu sammeln, umfangreiches Wissen aufzubauen und Schlüsselerkenntnisse zu verwerten, sind Grundlagen für die erfolgreiche Entwicklung von digitalen Produkten und Innovationen. In der Praxis der digitalen Produktentwicklung werden diese Schritte aber oftmals nicht ausreichend priorisiert und durchgeführt. Der Standard: Teams greifen veraltete Informationen oder ungefilterte Ideen auf und machen sich direkt an die Umsetzung – ganz ohne digitale Strategie. Das Ergebnis: Innovationsvorhaben scheitern, weil Ideen beispielsweise eine falsche Bedürfnissituation adressieren und an den Wünschen der KundInnen vorbeigehen.
Kaum verwunderlich, denn das direkte Durchstarten führt dazu, dass wertvolle Daten und Fakten zum Markt, dem Wettbewerb und den Zielgruppen unberücksichtigt bleiben. Um dieses oft auftretende Defizit im Rahmen eines ganzheitlichen Produktmanagements gekonnt zu umgehen, sollte jede digitale Produktentwicklung zwei Komponenten unbedingt beachten: die Research- und Discovery-Arbeit. Ziehen die Problemidentifikation inklusive einer tiefgehenden Informations- und Datenbeschaffung wie auch die anschließende Analyse und Entwicklung neuer Lösungsansätze an einem Strang, lässt sich der Produkterfolg einfach fördern.
Bevor Unternehmen und Produktteams sich jedoch an das Sammeln von Insights machen, ist eine Vorarbeit unumgänglich. Sie müssen sich klar zu den eigentlichen Zielen abstimmen – ganz nach dem Motto: Goal setting comes first!
Um dies zu erreichen, gräbt die digitale Produktenteicklung erst einmal tief. Ein zentrales Ziel ist es, die Probleme von KonsumentInnen zu verstehen, um daraufhin qualitative Lösungen zu entwickeln, die Abhilfe für diese sogenannten Pain Points schaffen. Mit diesem übergeordneten Ziel vor Augen lässt sich die Informationsbeschaffung – die Research-Arbeit – starten. Klarer Fokus inbegriffen!
Jede (digitale) Produktentwicklung und jedes Innovationsvorhaben mit dem Anspruch an die nachhaltige Marktfähigkeit sollten unmittelbar nach der Identifikation der übergeordneten Unternehmens- bzw. Produktziele mit einer tiefgreifenden Research-Arbeit beginnen. Dabei essenziell ist der Blick in unterschiedliche Bereiche. Unter anderem stellen sich dabei folgende strategische Fragen: Wie sieht der Markt aus? Was macht WettbewerberInnen erfolgreich? Welche Bedürfnisse und Wünsche hat die Zielgruppe? Wo steht das eigene Unternehmen (Ressourcen, Möglichkeiten, usw.)?
Dabei können die Teams der digitalen Produktentwicklung unterschiedliche Methoden wählen, um an relevante Informationen zu gelangen. Marktanalysen, Umfragen und Interviews sind nur drei Beispiele. Sind erst einmal die verschiedenen Insights zusammengetragen, lassen sich wertvolle Informationssammlungen zusammenstellen. Research-Arbeit ist somit eine wesentliche strategische Komponente für den Unternehmenserfolg. Denn auf dieser Grundlage gelingt es nicht nur, konkrete Chancen und Opportunities zu identifizieren, sondern auch frühzeitig zu erkennen, welcher Fokus in der digitalen Produktentwicklung zu setzen ist, sodass die Ergebnisse auch auf die gesetzten Ziele der Organisation hinwirken.
Variante 1: Qualitative Research
Methodenauswahl:
Ziel: Get out the building! NutzerInnen und ExpertInnen zuhören und sie und ihre Bedürfnisse verstehen.
Vorteile: Menschliches Verhalten und die Perspektiven der NutzerInnen stehen klar im Fokus. Das Team versteht Probleme, erfährt Wünsche und erhält direkte Einblicke in Nutzerverhalten, Meinungen und Aktivitäten der Teilnehmenden.
Anwendungsbeispiel: UX Labore, in denen User Tests für einen Prototyp durchgeführt werden können. Wichtig: Konkret werden mittels vorformulierter Fragen. Diese Methode hat z. B. auch die Commerzbank auf dem Weg zu mehr Kundenzentrierung gewählt. Das zeigt unsere Success Story.
Variante 2: Quantitative Research
Methodenauswahl:
Ziel: Große Datenmengen sammeln.
Vorteile: Eine große Datenmenge ermöglicht es, numerische Daten zu analysieren, dadurch Muster zu erkennen und kausale Beziehungen zu testen. Durch den Umfang der zugrundeliegenden Daten sind Hypothesen genauer prüfbar.
Anwendungsbeispiel: Die quantitative Methode bietet sich vor allem in der Research-Phase an, um Daten und Insights messbar zu machen und sie statistisch auszuwerten. Sind noch keine oder nicht ausreichend Werte vorhanden, sind Online-Umfragen beispielsweise ein gutes Mittel der Wahl. Aber auch zur datengetriebenen Unterstützung eines laufenden Prozesses kann ein quantitatives Vorgehen hilfreich sein. Mithilfe von User Research und Product Performance Analysen konnte einer unserer Kunden aus dem Bereich FinTech so den Aufbau eines modernen HR Portals erfolgreich meistern.
Mit der Discovery-Arbeit beginnt das Wechselspiel. Denn Research allein bringt noch keinen richtigen Mehrwert, wenn das digitale Produktentwicklungsteam die gefilterten Daten nicht auch interpretiert und weiterverarbeitet. Deshalb lebt eine gelungene digitale Produktentwicklung unter anderem von der Synergie aus Research und Discovery. Sind alle Insights gesammelt, WettbewerberInnen wie auch Märkte analysiert und die Zielgruppe samt ihrer Bedürfnisse identifiziert, geht es an die Opportunity Ideation und die Entwicklung neuer oder die Validierung bestehender Produktideen.
Dafür müssen Teams die Research-Ergebnisse mit den im Vorfeld festgelegten Zielen sinnvoll verknüpfen, um daraus Schlussfolgerungen für die digitale Produktentwicklung oder -weiterentwicklung zu ziehen. Mit Hilfe der Research- und Discovery-Arbeit können sie Ideen ausarbeiten und diese mittels Produkt-, Kunden- und Problem- oder Markt-Hypothesen selektieren und priorisieren. Wird die Idee durch die gesammelten Insights gestützt, ist sie bereit für die weitere Ausarbeitung in der Discovery-Phase. Leiten die gewonnen Erkenntnisse die Produktteams jedoch in eine andere Richtung,
Wichtig für die Auswertung und Analyse der Ergebnisse ist, dass diese stets standardisiert, vergleichbar und objektiv sind.
Um das gesamte Vorgehen der digitalen Produktentwicklung (inkl. Research und Discovery) noch einmal greifbarer zu machen, kann ein aus dem UX Design bewährtes Modell genutzt werden: der Double Diamond. In diesem ist es vorgesehen, die Bedürfnisse und Probleme der NutzerInnen über vier Phasen hinweg zu beleuchten, zu verstehen und daraus entsprechende Lösungsansätze zu entwickeln. Genau das, was Teams für die digitale Produktentwicklung benötigen.
Phase 1: Problemverständnis
Eine Produktidee fällt nicht vom Himmel. Ihr vorangestellt ist ein Problem der Kundschaft. Um dieses eingehend zu verstehen, ist der erste Schritt eine ausführliche User Research inklusive Marktrecherche und Wettbewerbsanalyse. Damit sich relevante Insights sammeln lassen, können Teams beispielsweise auf User Interviews oder Online-Umfragen zurückgreifen. Wichtig: In dieser Phase sollten Offenheit und Neugierde Teil der digitalen Strategie sein.
Phase 2: Problemdefinition
Nach dem Fragen und Zuhören ist das Sortieren an der Reihe. Das digitale Produktmanagement steht jetzt vor der Aufgabe, das Feedback nach Mustern zu analysieren, erste Hypothesen zu validieren und das ursprüngliche Problem zu hinterfragen. Es ist gut denkbar, dass sich neue Schmerzen ergeben haben, deren Lösung sinnvoller wäre. Daher sollten möglichst alle Informationen am Ende der Phase in ein klar definiertes Problem münden.
Phase 3: Lösungsansätze
Durch den Fokus auf ein reales wie auch klar definiertes Problem kann die digitale Produktentwicklung jetzt in die richtige Richtung Fahrt aufnehmen und sich an die Lösungen machen. Gemeinsames Brainstorming, ständige Ideationen und Workshops können hier unterstützen, verschiedenste digitale Strategien zu sammeln. Besonders vielversprechende Ansätze sollten mithilfe von Prototypen getestet werden. So erhalten Teams wertvolles Feedback und können schließlich in die letzte Phase übergehen.
Phase 4: Finale Lösung
Bevor die Entscheidung für die finale Lösung fällt, muss das Team noch einmal sortieren. Anhand der Prototypen wird weiter getestet, ob der fokussierte Ansatz auch wirklich funktioniert und von der Zielgruppe angenommen wird. Erneut essentiell: Zuhören! Gibt es noch Nachfragen oder Unsicherheiten bei den TestnutzerInnen, sollten Verantwortliche hierauf Bezug nehmen, um nicht erst in der Entwicklungsphase auf diese Schwachstellen einzugehen. Am Ende steht die Entscheidung für die finale Lösung und deren Umsetzung.
In der Praxis ist die digitale Produktentwicklung nicht immer ein gerader Weg, der von A nach B gegangen werden kann. Richtungswechsel oder kleinere Abzweigungen sind häufig nötig, um Anpassungen erfolgreich in den Prozess einzubinden. Hierfür können Teams mit Pivots arbeiten. Denkbar ist der Einsatz in vier Geschäftsmodell-Dimensionen.
Customer Segment Pivot – Das Produkt löst ein Kunden- oder Nutzerproblem, jedoch wurde eine falsche Zielgruppe gewählt.
Product Pivot – Das Produkt löst kein Kunden- oder Nutzerproblem. Insofern muss hier grundlegend neu überlegt werden.
Revenue Model Pivot – Die Zielgruppe und das Produkt passen zueinander, das Monetarisierungsmodell wurde jedoch falsch gewählt.
Value Chain Pivot – Zielgruppe, Produkt und Monetarisierungsmodell passen zueinander, die Wertschöpfungskette ist jedoch nicht effizient.
Wissen ist Macht – darüber sind sich Menschen seit Jahrhunderten einig. Auch für die digitale Produktentwicklung sind Wissen und somit ein tiefgehendes Verständnis von (potenziellen) KundInnen, dem Markt und seinen WettbewerberInnen essenziell. Mit der Research- und Discovery-Arbeit können Teams zu nötigen Insights gelangen und verlässliche Entscheidungen in Bezug auf die Validierung von Produktideen treffen.
Daneben minimieren Research und Discovery auch Risiken bei der digitalen Produktentwicklung. Opportunities lassen sich durch die Datensammlung und -analyse weniger übersehen, vorschnelle Annahmen sind vermeidbar und Ressourcen können Teams optimal einplanen. Im Endergebnis spart das Zeit und Kosten. Wichtige Voraussetzung: eine „Lean Strategy“, also eine schlanke und transparente Strategie, die das Wissen und die Kompetenzen des eigenen Teams einbindet. Denn die verschiedenen Unternehmensbereiche – vom Product Development über das Marketing bis hin zum Vertrieb – sind wertvolle Quellen fachspezifischer Informationen und Erfahrungswerte. Die Teamarbeit und das gemeinsame Kommunizieren über mögliche Lösungsansätze zahlen so auf das Konto „Innovationsförderung“ ein.
In vielen spannenden Strategieberatungsprojekten durften wir Unternehmen bei der (digitalen) Produktentwicklung begleiten – immer dabei unsere Anleitungen zur Research- und Discovery-Arbeit, die wir Young Digitals ebenso wie die Development- und Delivery-Phase zu unserem Hauptgeschäft zählen. Unsere Success Stories geben Einblicke, wie Research und Discovery neue innovative Ansätze hervorbringen. Ein Beispiel: „Die Commerzbank setzt auf Agilität und Kundenzentrierung“
Wir selbst konnten hierbei zahlreiche Learnings für digitale Strategien sammeln, die wir in einem zweiten Teil schon sehr bald mit Euch teilen werden.