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Wissen macht Wettbewerbsvorteil: Insights in der agilen Produktentwicklung

24.8.2023
7 min

Agile Produktentwicklung: Aus Erfahrung lernen!

Dynamisch intensiv - die agile Entwicklung digitaler Produkte gehört zu den Top-Themen vieler Unternehmen. Deshalb schreiben zahlreiche ProduktexpertInnen regelmäßig Beiträge über den Weg zum Produkterfolg (übrigens auch wir in unserem Blogbeitrag „Research und Discovery: Ein Duo für die Produktentwicklung“ ). Über das wesentliche theoretische Know-how hinaus sind aber natürlich die praktischen Tipps für produktverantwortliche Rollen enorm wertvoll: Was läuft vor allem in den ersten Phasen der agilen Produktentwicklung erfahrungsgemäß gut? Und was funktioniert in der Praxis weniger? Wir haben unsere Learnings aus verschiedenen Produkt- und Innovationsprojekten gesammelt und für Euch zusammengestellt. Let’s learn!

Research-Arbeit: Eine kurze Zusammenfassung

Die sprichwörtliche zündende Idee kann für Produktteams schnell zum Heilsbringer der agilen Produktentwicklung werden. Doch ein voreiliges Handeln kann auch zu unerwünschten Ergebnissen führen: Denn womöglich benötigt die Zielgruppe das bereits fertig entwickelte Produkt, das lediglich auf einer guten, aber nicht getesteten Idee basiert, überhaupt nicht. Im Vorfeld gesammelte Insights hätten das wahrscheinlich aufzeigen können. Es ist also kein Geheimnis, dass der Entwicklung von digitalen Lösungen deshalb immer zwei Schritte zugrunde liegen sollten – Research und Discovery.

Auf diese Weise lassen sich nämlich relevante Insights und Informationen beschaffen und analysieren, die die ursprüngliche Idee anreichern. Wie das in der Praxis umsetzbar ist, welche Vorteile eine gut durchdachte Research- und Discovery-Arbeit mit sich bringt und wieso Ihr Eure Produktentwicklung nicht mehr ohne angehen solltet, haben wir Euch in unserem ersten Teil des Blogbeitrags zusammengefasst. In Teil 2 geht es jetzt an unsere Erfahrungen – inklusive YoDi-Tipps.

Warum wir Tipps geben: Zahlreiche Projekte, jahrelange Erfahrung und tiefe Einblicke in die Praxis

Projekte erfolgreich umzusetzen, das ist das eine. Dafür jedoch erst einmal die Grundlage in Form von Insights und Wissen zu schaffen und Teams zu befähigen, wichtige Aufgaben künftig eigenständig zu bewältigen, ist aus unserer Sicht ein ebenso wichtiger Aspekt. Unsere langjährige Produktmanagement-Erfahrung hat immer wieder bestätigt, dass digital eben nur analog funktioniert – über alle Branchen hinweg. 

Geht es konkret an die agile Produktentwicklung, hat sich beispielsweise ein zentraler Tipp herauskristallisiert: NutzerInnen einbinden – immer! Das predigen wir nicht nur, sondern arbeiten auch selbst nach diesem Prinzip. So verbessern wir unseren Service stets weiter und lernen durch genaues Hinsehen, Hinterfragen und Weiterentwickeln dazu.

Vorarbeit schafft Struktur und Klarheit

Ein Beispiel: Einer Produktmanagerin ist eine grandiose Idee für ein neues Produkt-Feature in den Sinn gekommen. Beim wöchentlichen Teammeeting weiß sie ihre KollegInnen zu überzeugen, da sich die Organisation mit diesem Angebot von WettbewerberInnen deutlich abgrenzen könnte. Das Produkt geht sofort in die Entwicklung und im Anschluss in den Verkauf. Dann folgt Ernüchterung. Das Feature wird nicht genutzt, da es für die NutzerInnen keinen Mehrwert bietet. Investierte Zeit, verbrauchte Ressourcen – die ganze Arbeit war umsonst.

Was hier passiert ist: Das Team hat eine auf den ersten Blick innovative Idee nicht ausreichend hinterfragt. An dieser Stelle wäre ein objektiver Blick wichtig gewesen: „Ja, das Feature ist interessant, ABER…“. An das Aber sollten Verantwortliche beispielsweise folgende Rückfragen knüpfen: 

  • Welche Bedürfnisse und Wünsche haben die NutzerInnen? Welche Pain Points muss die Innovation bzw. das Produkt lösen? 
  • Wie sieht der Markt aus?
  • Was machen unsere Wettbewerber?
  • Handelt es sich um einen nachhaltigen Trend? 
  • Können wir die richtigen Ressourcen für die Entwicklung bereitstellen?

Der erste Schritt, wenn ein Team in die agile Produkt- oder Innovationsentwicklung abbiegt – egal, ob mit einer vorhandenen Idee oder völlig offen – ist es, Insights und Informationen zu beschaffen, um daraus wertvolle Erkenntnisse ziehen zu können. Diese lassen schließlich nachvollziehbare Entscheidungen zu.

  • Unser Tipp: Don‘t fall in love with your own idea. 

Eine gute Vorarbeit muss also immer objektiv sein. Das heißt, auch für die Aufstellung von Annahmen oder Hypothesen ist die eigene Meinung erst einmal auszuklammern. Ein persönlicher Schmerz muss nicht für eine ganze Zielgruppe gelten und die Annahme, wie sich ein Markt zusammensetzt, kann sich durch den Blick in die realen Zahlen schnell klären. 

  • Unser Tipp: Objektivität im Team kommunizieren – und leben!

Hürden treten also vor allem auf, wenn Projektgruppen die wesentliche Research-Arbeit nicht ansteuern. Mit dem bekannten Bauchgefühl starten sie und lassen Zahlen, Daten und Fakten außen vor. Orientieren sie sich nicht an den festgelegten Zielen und einem klaren Prozess, der von der Zielsetzung über die Research-Arbeit bis hin zur Analyse und Verwertung der erlangten Informationen in der Discovery-Phase verläuft, geht Struktur verloren. Wichtig ist dabei, die dazu verwendeten Methoden und Prozesse im Vorhinein korrekt zu implementieren, um sie dann richtig anwenden und auf die übergeordneten Ziele abstimmen zu können. 

  • Unser Tipp: Nicht voreilig loslaufen! Ziele definieren und kommunizieren sowie Prozesse und Methoden festlegen und korrekt anwenden.

Datenbeschaffung und -analyse: Zeit nehmen ist ein Muss

In Zeiten von Big Data ist die Datensammlung ein Leichtes. Über Analytics lässt sich beispielsweise schnell eine große Menge an Website-Daten generieren. In die agile Produktentwicklung sollten aber unbedingt auch qualitative Daten einbezogen werden, die sich mittels Interviews, Umfragen, Beobachtungen oder Experimenten sammeln lassen. So können Teams Erfahrungen, Bedürfnisse und Wünsche der NutzerInnen im Rahmen der qualitativen Research- und Discovery-Arbeit erfassen. Dabei bitte immer bedenken: Die Datenauswertung ist hier oftmals zeitaufwendiger. 

  • Unser Tipp: Fokus setzen! Nicht alle gesammelten Daten bringen den Aha-Moment. 

Nach dem Sammeln der Insights muss die Selektion dieser erfolgen. Wird sie übersprungen, weil dafür vermeintlich Zeit fehlt oder die Annahme besteht, alle Informationen wären gleichermaßen relevant für das zu entwickelnde Produkt, können daraus keine zielführenden Entscheidungen getroffen werden. Deshalb ist jeder einzelne Prozessabschnitt wichtig und benötigt ausreichend Zeit und Fokus, um durchlaufen zu werden. Daher bitte im Vorfeld Ressourcen planen, um Druck zu vermeiden. 

  • Unser Tipp: Ressourcenverfügbarkeit checken und auf Projektziele abstimmen.

In der Praxis ist die Datenbeschaffung und -analyse aber nicht als bloße Vorarbeit zu sehen. Denn Research ist ein iterativer Prozess. Darum sollte sie ein stetiger Teil der agilen Produktentwicklung sein bzw. parallel dazu laufen. So lassen sich Trends und Entwicklungen überwachen, Probleme eruieren und Verbesserungspotenziale identifizieren. 

Zielgruppe in den Fokus rücken

Mit dem Blick auf die Anforderungen an ein Produkt machen Teams häufig einen Fehler: In der Befragung wählen sie den kürzesten Weg. Im Falle der agilen Produktentwicklung heißt das, die Idee wird den nahestehenden Freunden und Bekannten vorgestellt – als Feedback folgt Zustimmung und Bestätigung. Was wenig verwunderlich ist, bedenkt man, dass das soziale Netzwerk unterstützend zur Seite stehen möchte. Wichtig sind aber die ehrlichen, unverblümten Meinungen und Einblicke, die außerhalb des Bekanntenkreises zu finden sind. Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass Familie und Freunde die Zielgruppe repräsentativ darstellen. Die Frage, ob das Produkt die Wünsche der Zielgruppe erfüllt oder ein identifiziertes Problem löst, lässt sich auf diese Weise nicht verlässlich beantworten. 

  • Unser Tipp: Zielgruppe definieren und diese in die Produktentwicklung einbinden! 

Teams sollten also den Blick auf die Bedürfnisse der identifizierten Zielgruppe lenken, um einen echten Mehrwert für diese zu schaffen. Wichtig dabei: Drei Interviews sind noch keine verlässliche Grundlage, um ein Produkt weiterzuentwickeln. Eine konkrete Hausnummer gibt es dafür aber nicht. Denn die Anzahl hängt immer auch von der Ausgangssituation ab: Stehen Teams beispielsweise noch vor der Entwicklung eines neuen Produktes, ist mit mehr Gesprächen zu rechnen als bei Usability Tests von Features. Letztlich sollten sie aber stets versuchen, die größtmögliche Anzahl an Interviews, Umfragen und Co. durchzuführen. 

 

  • Unser Tipp: Die Idee vorstellen bzw. verkaufen. Will die Zielgruppe die Idee nicht, kauft sie später auch nicht das fertige Produkt.

Crossfunktionale Teamstruktur 

In vielen Projekten haben wir feststellen können, dass sich wertvolles Wissen über die einzelnen Abteilungen in Unternehmen verteilt. Um dieses abzurufen, ist eine nachhaltige Kommunikation zwischen den verschiedenen Unternehmensbereichen essenziell. Auch in der agilen Produktentwicklung sind die Kompetenzen und Erfahrungen rund um Machbarkeit oder Ressourcenverbrauch von SpezialistInnen aus den verschiedensten Bereichen enorm wertvoll. Auch gezieltes, granulares Wissen über KundInnen an verschiedenen Touch Points lässt sich beispielsweise durch die Einbindung des Kundenservices sammeln – und verwerten. 

  • Unser Tipp: Intern nachfragen und Wissen berücksichtigen!

Projektcontrolling nicht vergessen

Agile Produktentwicklungen binden viele Ressourcen. Was häufig auf der Strecke bleibt, ist ein detailliertes Projektcontrolling. Dadurch verpassen Unternehmen vor allem die Chance, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen. Das aktuelle Projekt wird oftmals einfach unreflektiert abgeschlossen und Informationen für neue Vorhaben lassen sich daraus nicht ziehen. Besser ist es, wenn das Controlling von Anfang an regelmäßig mitgedacht wird. Das beginnt bei der konkreten Insight-basierten Zielsetzung, geht weiter über die Wahl der richtigen Methode und mündet in der Nutzung täglicher „Kontroll“werkzeuge wie Team-Dailies, Weeklies und Retros sowie in der Pflege von Boards und Erstellung ausführlicher Reportings, in denen Ergebnisse getrackt, festgehalten und reviewt werden. 

  • Unser Tipp: Kontinuierliches Lernen durch stetige Reflektion fördern. 

Fazit

Wertvolle Produkte, reflektierende Mitarbeitende, Einblicke in die Nutzerbedürfnisse und ständige Kontrollprozesse – im Rahmen der agilen Produktentwicklung bringt Research- und Discovery-Arbeit zahlreiche Vorteile mit sich. Um von diesen zu profitieren, müssen Teams aber zuerst ein Gespür für den Prozess bekommen. Ein Zeitplan ohne Druck, der Fokus auf die Zielgruppe, das Sammeln von Insights, das Selektieren nötiger Informationen und auch Objektivität gehören dazu. Erst dann können Insights als Entscheidungsgrundlage fungieren und zur Optimierung bestehender Prozesse genutzt werden. 

Über den Produkttellerrand geblickt!

Research ist aber nicht nur für die agile Produktentwicklung unumgänglich. In anderen Bereichen wirken sich Daten- und Informationsbeschaffung wie auch tiefgreifende Analysearbeiten gleichfalls positiv aus. Diese enorme Strahlkraft wird uns immer wieder in Projekten klar:

Anforderungsanalyse: Research hilft bei der Ermittlung der Projektanforderungen, während die Discovery-Arbeit dazu beiträgt, alternative Lösungsansätze oder innovative Ideen zu identifizieren. Research und Discovery geben damit wichtige Einblicke in aktuelle Trends, die Marktstruktur, mögliche Nischen und bestehende Technologien.

Risikomanagement: Research unterstützt bei der Identifizierung potenzieller Risiken und deren Wahrscheinlichkeit. Die Discovery ermöglicht es dann, präventive Maßnahmen oder alternative Strategien zur Bewältigung dieser Risiken zu finden.

Technologieevaluation: Die Bewertung verschiedener Technologien oder Lösungen ist durch die Research-Arbeit denkbar. Das Erkennen neuer oder die Anwendung bestehender Technologien auf neue Weise ebnet nicht nur die Discovery, sondern auch die Delivery. 

Kosten- und Ressourcenmanagement: Mithilfe von Research und Discovery lassen sich Potenziale zur Kosteneinsparung oder zur Optimierung von Ressourcen identifizieren. 

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Mico Pütz