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Die Kraft des Fachwissens im Bereich Product Ownership
Nicola Grote
28.7.2023
6 min
Ist technisches Fachwissen im Product Ownership hilfreich oder hinderlich? Wir haben die Vor- und Nachteile einmal unter die Lupe genommen und geben Tipps für Product Owner, die ihre Development-Kenntnisse ausbauen möchten.
Beinahe täglich erobern technologische Innovationen die Welt der Softwareentwicklung und fordern damit eine immer agiler werdende Bereitstellung hochwertiger Softwarelösungen. Innerhalb der Teams stellt das Ausführen rollenspezifischer Verantwortlichkeiten einen entscheidenden Faktor für den Projekterfolg dar. Product Owner nehmen dabei eine Schlüsselrolle in agilen Teams ein. Sie fungieren als Brücke zwischen dem Entwicklungsteam und den Stakeholdern. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der strategischen Planung sowie Nutzer- und Marktforschung vor dem Hintergrund der allgemeinen Produkt- bzw. Geschäftsvision.
Die Rolle des Product Owners erfordert häufig ein Gleichgewicht zwischen Geschäftsverständnis und technischem Know-how. Ein solide ausgeprägtes technisches Verständnis und sogar Entwicklungskompetenzen können einen erheblichen Vorteil bieten. Sie gestatten es, Funktionen des Produkts klarer zu definieren und zu priorisieren sowie das Product-Backlog effektiver verwalten zu können.
Allerdings ist es wichtig, zu bedenken, dass das Streben nach tiefer technischer Expertise oder Entwicklungskompetenzen als Product Owner auch Risiken birgt und von der jeweiligen Projektsituation abhängt. Ist das Entwicklungsteam beispielsweise bereits sehr qualifiziert und erfahren, so ist das technische Wissen des Product Owners wahrscheinlich weniger kritisch. Im Gegensatz dazu kann es in Teams mit weniger erfahrenen EntwicklerInnen von Vorteil sein, wenn der Product Owner tiefergehendes technisches Wissen oder sogar Entwicklungskompetenzen mitbringt.
Es gibt verschiedene Rollenspezifikationen des Product Owners, von denen einige mehr technisches Wissen benötigen als andere. Dazu gehören beispielsweise der Customer Product Owner, der Stakeholder Product Owner und der Technical Product Owner. Dieser Artikel konzentriert sich vor allem auf die Weiterentwicklung von Technical Product Ownern und wie diese ihr technisches Wissen und ihre Fähigkeiten erweitern können, um ihre Effektivität und ihren Beitrag zu ihrem Team und ihrem Unternehmen zu steigern.
Vorteile von technischem Fachwissen
Effektive Kommunikation: Mit entsprechendem Fachwissen können die Lücken zwischen technischen und nichttechnischen Stakeholdern geschlossen werden. Projekt- oder Produktanforderungen können klar formuliert und technische Hindernisse beseitigt werden. Sind alle Beteiligten auf dem gleichen (Wissens-)Stand, führt dies zu einer verbesserten Zusammenarbeit und einer reibungsloseren Projektabwicklung.
Informierte Entscheidungsfindung: Das Verständnis der technischen Feinheiten ermöglicht es, die Machbarkeit vorgeschlagener Funktionen zu beurteilen, potenzielle Risiken zu antizipieren und fundierte Entscheidungen zu treffen. Aufgaben können priorisiert, Erwartungen verwaltet und den Stakeholdern adäquate Kompromisse mitgeteilt werden.
Effiziente Planung und Schätzung: Mit dem Bewusstsein für technische Konzepte können Product Owner eng mit dem Entwicklungsteam zusammenarbeiten, um den Aufwand abzuschätzen, Sprints zu planen und realistische Fristen festzulegen. Sie können Abhängigkeiten identifizieren, technische Schulden verstehen und organisatorische Anpassungen vornehmen, um innerhalb der definierten Zeitpläne hochwertige Softwarelösungen bereitzustellen.
Einfühlungsvermögen und Unterstützung: Mit einem technischen Hintergrund gelingt es problemlos, sich in die Herausforderungen einzufühlen, mit denen das Entwicklungsteam konfrontiert ist. Dies gibt Orientierung, bei der Problemlösung zu unterstützen und bei der Lösung von Konflikten mitzuhelfen, indem die Einschränkungen, Komplexitäten und Kompromisse im Entwicklungsprozess besser verstanden werden.
Gibt es eine Kehrseite?
Natürlich kann das Anstreben von technischer Expertise oder Entwicklungskompetenzen durch den Product Owner wertvoll sein, jedoch sollte man einige Bedenken in Betracht ziehen:
Zeitmanagement: Die Aneignung von technischem Wissen oder Entwicklungskompetenzen ist zeitaufwändig. Als Product Owner ist die Zeit häufig schon knapp bemessen, um die Hauptverantwortlichkeiten zu erfüllen, wie etwa die Steuerung des Backlogs, die Priorisierung von Funktionen und die Koordination zwischen Stakeholdern und dem Entwicklerteam.
Rollenvermischung: Mit zunehmendem technischen Know-how kann es dazu kommen, dass die stärkere Partizipation an der technischen Umsetzung und Problemlösung des Product Owners den Fokus auf die Kernverantwortlichkeiten zu stark in den Hintergrund rückt. Im ungünstigsten Fall könnte die Arbeit des Entwicklerteams dadurch erschwert oder sogar blockiert und Reibungen herbeigeführt werden. Gleichzeitig kann der Eindruck entstehen, dass die Rollen und Kompetenzen des Entwicklerteams nicht angemessen respektiert werden.
Überbewertung des technischen Aspekts: Eine nicht zu unterschätzende Gefahr besteht darin, dass der Fokus in einem zu hohen Maße auf technische Aspekte gelegt wird und der eigentliche Kunden- oder Geschäftsnutzen in der Folge aus den Augen verloren wird. Deshalb sollte der Product Owner stets die Gleichgewichtung zwischen Geschäftsanforderungen und technischer Machbarkeit sicherstellen.
Verzerrte Kommunikation: Verfügt der Product Owner über ein hohes technisches Verständnis, ist die Verwendung diverser Fachtermini vorprogrammiert. Dies kann in der Kommunikation mit Stakeholdern ohne technisches Hintergrundwissen zu Herausforderungen im Austausch führen.
Vertrauensverlust: Ein Product Owner mit sehr hohem technischen Wissen könnte das Vertrauen des Entwicklerteams untergraben, wenn er oder sie sich zu sehr in die technischen Details einmischt. Der Respekt der Rollen und Kompetenzen ist entscheidend für ein erfolgreiches Team.
Jeder dieser Punkte sollte für eine gesunde Balance sorgfältig abgewogen werden: Welche Priorität sollte die Erlangung von technischem Wissen und Kompetenzen haben? Und wie stark sollte der Fokus auf der Erhaltung der “eigentlichen” Kernaufgabe des Product Owners liegen?
Tipps für Product Owner, die ihre Kenntnisse im Bereich Softwareentwicklung ausbauen möchten
Lernmentalität entwickeln: Die Voraussetzung für das Lernen und Aneignen fachspezifischer Skills: intrinsische Motivation! Wer auf dem Laufenden sein möchte, sollte sich an aktuellen Trends orientieren, Konferenzen und Meetups besuchen oder an Workshops und Webinaren teilnehmen.
Zusammenarbeit mit Mentoren: Die Förderung einer kollaborativen Umgebung mit dem Entwicklungsteam ist essenziell. Hierzu zählen etwa die Beteiligung an Diskussionen sowie das Einholen von Erkenntnissen und technischen Konzepten. Dazu ist es sinnvoll, eine Mentorenbeziehung mit einem/einer EntwicklerIn aufzubauen, welche/r den Lernweg bewusst begleitet.
Praktische Erfahrung: Um die typischen Abläufe, technischen Herausforderungen und Lösungsansätze echter Entwicklungsprozesse kennenzulernen, ist essinnvoll, praktische Erfahrungen zu sammeln, indem kleine Entwicklungsaufgaben übernommen werden. Dazu bietet es sich beispielsweise an, in Nebenprojekten zu arbeiten oder an Codeüberprüfungen teilzunehmen.
Nutzen von Online-Ressourcen: Vor allem Online-Plattformen und Tutorials, die speziell für Technik-EinsteigerInnen entwickelt wurden bieten neben diversen Development-Foren häufig eine Vielzahl von hilfreichen Informationen, vereinfachten Erklärungen und praktischen Beispielen, um das Verständnis für technische Konzepte zu vertiefen.
Förderung funktionsübergreifender Zusammenarbeit: Es ist empfehlenswert, die funktionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Produkt-, Design- und Entwicklungsteams anzustreben. Dies erleichtert den Wissensaustausch und schafft eine starke Grundlage für eine erfolgreiche Projektdurchführung.
Sparring durch erfahrene Product Owner (wie die Young Digitals): Hierbei geht es darum, den individuellen Bedarf zu verstehen – sowohl für die individuelle Entwicklung des Product Owners als auch im Hinblick auf auftretende Projektanforderungen. Beides kann durch die Begleitung eines geschulten und erfahrenen Product Owner professionell geplant, gestaltet und betreut werden.
Hilfreiche Quellen zur Wissenssteigerung
Kontinuierliches Lernen, das Aneignen neuer Fähigkeiten sowie die Auseinandersetzung mit neuen Konzepten sind der Schlüssel zur Verbesserung technischen Wissens. Wenn gleich ein ExpertInnenstatus über Nacht erreicht werden kann, so zahlen sich Neugier und Konsistenz
dennoch aus. Gemeinsam mit unseren Consultants haben wir verschiedene, hilfreiche Quellen zusammengetragen, die die Aneignung von hilfreichem (Hintergrund-)Wissen unterstützen.
Online-Lernplattformen:
Coursera – Bietet zahlreiche Kurse zu einem breiten Themenspektrum, darunter Informatik, Datenwissenschaft, Softwareentwicklung und maschinelles Lernen.
Udemy – Eine Online-Lernplattform für berufstätige Erwachsene und Studierende, auf der ihr Kurse zu fast jedem technischen Thema findet.
Codecademy – Eine interaktive Plattform, die kostenlose Programmierkurse in 12 verschiedenen Programmiersprachen anbietet.
Pluralsight – Ein amerikanisches Online-Bildungsunternehmen, das Videoschulungen für SoftwareentwicklerInnen, IT-AdministratorInnen und Kreativprofis anbietet.
edX – Bietet kostenlose Online-Kurse von Top-Universitäten auf der ganzen Welt, darunter Harvard und MIT. Die Kurse decken ein breites Spektrum technischer Themen ab.
LinkedIn Learning – ist eine kostenpflichtige Online-Bildungsplattform, die von BranchenexpertInnen gehaltene Videokurse zu verschiedenen Themen anbietet. Wählbar sind Kurse zu verschiedenen Programmiersprachen, Datenbanken, Webentwicklung und mehr. Die Kurse sind flexibel und können im eigenen Tempo absolviert werden. Nach Abschluss können Zertifizierungen zur beruflichen Sichtbarkeit zum LinkedIn-Profil hinzugefügt werden.
Blogs und Websites:
Stack Overflow – Eine beliebte Plattform für EntwicklerInnen, um ihr Wissen zu teilen und neue Fähigkeiten zu erlernen.
Smashing Magazine – Ein Website- und E-Book-Verlag, der redaktionelle Inhalte und professionelle Ressourcen für WebentwicklerInnen und Webdesignern bietet.
The Pragmatic Engineer – Ein Blog, der Einblicke in die Welt der Softwareentwicklung aus der Sicht von IngenieurInnen gibt. Hier werden wertvolle Informationen für Menschen geboten, die sich für die technischen Aspekte der Produktentwicklung interessieren.
A List Apart – Erforscht das Design, die Entwicklung und die Bedeutung von Webinhalten, mit besonderem Schwerpunkt auf Webstandards und Best Practices.
Coding Horror – Ein von Jeff Atwood erstellter Blog, der darauf abzielt, den Stand der Softwareentwicklung zu verbessern.
Bücher:
„Cracking the Coding Interview“ von Gayle Laakmann McDowell – ist ein umfassendes Buch mit fast 200 Fragen und Lösungen für Programmierinterviews sowie nützlichen Strategien, die euch helfen, euer nächstes Coding-Interview zu meistern.
„The Pragmatic Programmer: Your Journey to Mastery“ von Andrew Hunt und David Thomas – ist ein einflussreiches Buch in der Softwareentwicklung, das eine breite Palette an Ratschlägen zu einer Vielzahl von Themen in der Softwareentwicklung bietet.
„Clean Code: A Handbook of Agile Software Craftsmanship“von Robert C. Martin – Dieses Buch stellt ein revolutionäres Paradigma mit Clean Code vor mit Fokus auf den Werten eines Software-Handwerkers.
„The Lean Startup“ von Eric Ries – Obwohl es nicht rein technisch ist, vermittelt es ein Verständnis für einen produktorientierten Ansatz, der für technisch versierte POs von Vorteil sein könnte.
Fazit
Durch die Erweiterung des technischen Wissenshorizontes und der Aneignung neuer Fähigkeiten eröffnen sich vor allem für Technical Product Owner diverse Möglichkeiten zur effektiveren Zusammenarbeit mit Teams. In diesem Zusammenhang können auch Entscheidungen sicherer getroffen und letztlich erfolgreiche Produkte entwickelt und geliefert werden. Ambitionierte Product Owner bewegen sich damit in Richtung starker Führungskompetenz in Softwareprojekten und fördern die eigenen Fähigkeiten in der effektiven und agilen Zusammenarbeit mit Teams. Aber auch hier gilt: Neben den Vorteilen sind die möglichen Nachteile und Risiken nicht außer Acht zu lassen. In der Entwicklung fundierter Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen liegt unserer Meinung nach jedoch der Schlüssel, der die “Investition” in den Aufbau von technischem Wissen und Kompetenzen rechtfertigt.