Die Home Office Challenge (inkl. praktischem Remote Team Hack) Praktische Hacks für Remote Arbeit im Team
Um Risiken und Ausbreitung des Coronavirus zu beschränken, haben viele Unternehmen ihre Mitarbeiter konsequent ins Home Office geschickt. Wenngleich das Arbeiten in heimischen Büros vielerorts längst etabliert ist - die jetzige Situation ist entscheidend anders: Es arbeiten heute nicht ein oder zwei Teamkollegen remote, sondern alle und permanent. Sie sind nicht zuhause geblieben, um mal einen Tag fokussiert an einem Thema zu arbeiten, sondern sie müssen sich parallel um schulbefreite Kinder kümmern, um Eltern sorgen, die eigene Versorgung sicherstellen, soziale Distanz ertragen bzw. Ausgleichsbetätigungen improvisieren.
Die Produktivität während dieses ‘Stress-Tests’ über mehrere ungewisse Wochen aufrecht zu erhalten, stellt eine extreme Herausforderung an Führungskräfte und Teams dar - nicht nur technischer, sondern insb. auch organisatorischer Natur:
Die Sorge liegt auf der Hand: aufgrund der heftigen Störeinflüsse ist nach drei Wochen die Produktivität im Keller, alle sitzen resigniert die Quarantäne aus bis zur Aufhebung. Dabei bietet auch diese Situation Chancen. Teams wachsen zusammen und können in kürzester Zeit viel ausprobieren und effektiv lernen. Wir wollen Mut machen und haben auf Basis unserer Erfahrungen mit unseren Teams ein Konzept erarbeitet, das wir gerne mit der Community weiterentwickeln wollen. Das kurzgefasste Ergebnis: Wir empfehlen die neue Sonderrolle des ‘Remote Work Facilitators’ einzuführen, zügig einen Regelkatalog aufzustellen sowie einfache Abläufe mit einem Kommunikationsrhythmus zu etablieren, der auch informellen Austausch sichert, unterstützt durch spezielle Tools und flankiert durch einen Meta-Prozess zur Selbstüberprüfung. Gegenstand des Artikels ist die organisatorische und kulturelle Frage des Remote Works - wir gehen hier davon aus, dass die technischen Voraussetzungen erfüllt sind.
Strukturiert haben wir das Thema anhand der bekannten Pyramide von Patrick Lencioni mit seinen aufbauenden Stufen: Vertrauen, Konfliktfähigkeit, Selbstverpflichtung, Verantwortung und Ergebnisorientierung. Zu jedem Aspekt haben wir über die Beeinträchtigung durch Remote Work nachgedacht und entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Am Ende fassen wir diese in Regeln, Prozessen und Rollen zusammen.
Let’s face it, dauerhafte Remote-Arbeit ganzer Teams trägt hohes Potenzial für Verlust von Vertrauen und Identifikation. Wichtiger informeller Austausch wird eingeschränkt, Missverständnisse werden wahrscheinlicher, man bekommt Schwingungen nicht mehr mit, es findet offensichtlich Kommunikation auf unsichtbaren Wegen statt, von denen man nur die Ergebnisse zu sehen bekommt, etc. Die Sorge, vom Team abgeschnitten zu werden, verstärkt sich mit der Angst um die Situation der gesamten Organisation. Neue Kommunikationsstrukturen bilden sich, was nicht dem Zufall überlassen werden sollte. Deswegen empfehlen wir strukturelle Maßnahmen zur durchgängigen Aufrechthaltung einer persönlichen, visuellen Kommunikation:
Die Rolle des Remote Work Facilitators wird neu geschaffen und mit ausreichend Zeit, Mitteln und Befugnissen ausgestattet zur Durchsetzung eines selbst gegebenen Regel- und Ablaufwerks. Er/sie ist darüber hinaus auch verantwortlich für den Meta-Prozess zu dessen Weiterentwicklung.
Die Bereitschaft eines Teams, sachliche Debatten leidenschaftlich ohne Egozentrismus zu führen und zu tragfähigen Entscheidungen zu gelangen, zählt zweifellos zu den wichtigsten Kompetenzen eines Teams. Sie setzt Vertrauen voraus, damit Diskussionen aufrichtig geführt werden. Während im Office Konflikte in unmittelbarem persönlichen Kontakt sowie in geschützten Räumen ausgetragen werden können, ist die Gefahr im Home Office, dass Auseinandersetzungen in Video- und Telefonkonferenzen von vornherein gemieden werden. Noch riskanter sind Versuche, Konflikte asynchron und vor großem Verteiler per Messenger oder Email auszufechten. Wenn eine Verhandlung von Standpunkten nicht mehr effizient gelingt (weil z.B. die User Experience einer schlecht moderierten Onlinedebatte unzumutbar ist) finden Entscheidungen nur noch auf nicht nachvollziehbare Weise in Schattenstrukturen statt. Entscheidungsfähigkeit und -qualität leiden, Vertrauen nimmt ab, Teams stehen nicht mehr hinter Entscheidungen, passives oder gar passiv-aggressives Verhalten sind die Folge.
Wenn Teammitglieder auf Zielentscheidungen Einfluss haben, können sie diese mittragen und werden sich prinzipiell auch darauf verpflichten können. Im dauerhaften Team Home Office mit vielen Ablenkungsimpulsen sind eigene Commitments allerdings stark erschwert: Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit (agil: ‘Velocity’) ist stark reduziert. Zusätzlich ist die (gegenseitige) Sichtbarkeit stark eingeschränkt, sodass auch das Vertrauen in Zulieferleistungen fehlt, um übergeordnete Zusagen machen zu können. Darüber hinaus bleiben wichtige Motivationseffekte aus, um sich z.B. gegenseitig zu pushen oder Anerkennung für eingehaltene Lieferzusagen zu erhalten.
‘Öffentliches’ Commitment ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Übernahme von Verantwortung. Sie ist noch wahrscheinlicher, wenn eine fehlertolerante Kultur gelebt wird. Wenn es jedoch an Ziel-Prägnanz und an Standards fehlt in Form von Regeln, Abläufen und Tools, plus wenn zusätzlich die Sichtbarkeit eingeschränkt ist, fällt es Kollegen schwer, sich selbst und auch gegenseitig in die Pflicht zu nehmen und sachliche Kritik zu üben.
In den kommenden Wochen wird nochmal deutlich werden, wie effektiv und verbindend klare Teamvisionen und -missionen sind - partizipativ entwickelt und in zweckhafte Ziele übersetzt, mit erreichbaren, messbaren Ergebnissen hinterlegt und in gemeinsame Arbeitspakete unterteilt. Die Übung ist völlig unabhängig von Remote-Arbeit essentiell und falls noch nicht geschehen, jetzt kurzfristig kaum nachzuholen. Für den Fall - und auch dafür, dass die vorhandene Arbeitsteilung insgesamt zu interdependent und komplex ist - , sollte ggf. in den kommenden Wochen auf einfache und kurzfristige Ergebnisse gewechselt werden: Über Aufräumarbeiten, Umstrukturierungen, Stabilisierungen, strategische, taktische, operative Planungen, Dokumentationen etc. zum organisatorischen ‘Refactoring’ (ein Begriff aus der Software Entwicklung, wenn Code vor dem Launch nochmal strukturell verbessert wird).
Unsere Agile Coaches haben jahrelange Erfahrung mit Remote Teams, wenngleich die aktuelle Situation auch für uns eine Herausforderung darstellt. Unseren Kunden bieten wir direkte Unterstützung beim organisatorischen und kulturellen Aufbau von Remote Work und bei der Ausübung der Rolle eines Remote Work Facilitator. So wie selbstreflektiertes Remote Work wollen wir darüber hinaus aber auch die Best Practices weiter entwickeln und teilen - wir freuen uns daher über Anfragen, kritische Kommentare, Erfahrungsberichte und Tipps, öffentlich oder privat an office@youngdigitals.de.
Allen interessierten Lesern, Kommentatoren und Geschäftsfreunden wünschen wir, dass sie gesund durch die schwierige Zeit kommen und dass die Krise wertvolle neue Gewohnheiten und Erkenntnisse hervorbringt.
Es wird eine ‘Remote Work Facilitator’ Rolle ins Leben gerufen mit Verantwortung und Befugnissen, um einen gemeinsam verabschiedeten Satz aus Regeln, Abläufen und Tools einzuführen, kollaborativ weiter zu entwickeln und als ständige Hilfs-Anlaufstelle fürs Team bereit zu stehen.
(Auswahl ohne Bewertung aber mit allg. Empfehlung, Tools für Zwecke einzusetzen):
Mangels Erfahrung mit einer Pandemie können wir kaum letztgültige Weisheiten für uns in Anspruch nehmen, sondern lediglich solide Erfahrungen als Digital-Berater und einen erprobten iterativen Ansatz:
Bitte teilt uns Euer Feedback und Eure Erfahrungen mit, die wir sammeln und mit weiterer Recherche zusammenführen, um an dieser Stelle wöchentliche Updates mit Best Practices posten zu können